Samstag, 23. Mai 2009

Fräulein Wortkrieg schläft nicht mehr

Als Fräulein Wortkrieg an diesem Morgen aufwachte, musste sie ihre Gedanken ordnen. So alkohollastig, wie sie sich fühlte, war der Abend nicht gewesen. Es war aber spät gewesen. Ihr nächster Blick fiel auf den Wecker am Rande ihres Bettes. Jeden Morgen seit er so eingestellt war, erschrak sie, konnte aber am Wochenende und Feiertagen immer noch beruhigt noch eine Stunde länger dösen. Und manchmal verschlief sie trotzdem. Meistens träumte sie dann von einem sturen Rebel an ihrer Seite, dessen Ausdünstungen von einer durchzechten Nacht erzählten, ihr Ritter auf weißem Pferd. Dachte sie dann darüber nach, erschien ihr diese harmlose Phantasie unangenehm. So war es doch immer gewesen. Manchmal hörte sie den Wecker gar nicht. An einen Traum konnte sie sich heute nicht erinnern. Schade. Den Abend hatte sie mit Freunden verbracht und stundenlang über Doppeliks und XY diskutiert. Dabei wurde jede Kleinigkeit analysiert bis ihre winzigste Eigenschaft. Das Plädoyer für ihr Outfit heute Abend lautete Levis blue Jeans und Bandshirt. Das Wortkriegmädchen, denn als Frau sah sie sich irgendwie noch nicht überlegte, wie sie den Tag beginnen sollte. Sie dachte immer viel nach, wenn sie mal wieder intensiv geträumt hatte. Der letzte Traum handelte von brennenden Häusern, Angst und Flucht. Total bedeutungsschwanger. Das Haus steht für das Innere, die Seele oder so. Deutung ist immer individuell zu betrachten. Es war noch früh, vielleicht hatte sie 5 Stunden geschlafen. Erst jetzt wurde ihr die Tatsache, dass sie hellwach war und nicht mehr schlafen konnte wirklich bewusst. Kaffee mag er nicht, hatte er erwähnt, aber sie braucht ihn. Viel davon auch. Vielleicht würde ihn ihr Nikotinkonsum auch irgendwann einmal stören und er würde dann Schluss machen. Sie dachte immer weit voraus. Zu weit, aber nicht wenn es darauf ankommt Weitblick zu beweisen, nee dann nicht. In der Küche findet sie einen Zettel, auf dem steht "Nicht abspülen, das sieht REBELLISCH aus! Echt wahr, auf keinen Fall SPÜLEN!!!"... wie albern, lachte sie in sich hinein. Es war eine Nachricht von ihr an ihren Mitbewohner, die sie heute Morgen um sechs auch für unglaublich gut gehalten hatte. Sie lässt sie schnell verschwinden. Er war eh nicht da. Trotzdem, sie würde heute nicht freiwillig spülen. Im Schlafzimmer, in dem sie auch arbeitete, herrschte kreatives Chaos. Man kann ja nie wissen, wie weit man kommt, aber dann bloß nicht spießig wirken. Schmutzig war es aber nicht. "Auch wichtig" bestätigte Fräulein Wortkrieg ihren Gedankenverlauf. Es folgte eine ausgiebige Dusche und die Haarentfernung. Sie hatte nicht die Absicht zu vögeln, aber das fällt Männern halt auf, sie mögen es, wenn sich eine Frau gut anfühlt. Seltsam, gerade war sie noch ein Mädchen gewesen. Auch gut riechen müssen sie, alle beide, nicht nur die Doppelikse. Sie entschied sich für Vanille, nicht für Kirsche und rubbelte sich ab und massierte die weiße Creme in die Poren ihrer Haut. Es muss duften. Was sie alles tat und woran sie dachte, das sagte ihr, dass sie auf jeden Fall irgendwie paranoid sein musste. Sie hatte das Alleineinschlafen und -aufwachen satt. Und sie konnte auch nicht immer nur Pech haben. Die richtige Vorbereitung ist wichtig. Wenn man auf alles achtet, fallen vermeintlich zufällige Imperfektionen nicht so sehr ins Gewicht. Er war nicht der Erstbeste. Der besagte Erstbeste -sie war ziemlich verliebt gewesen- war ein Arschloch, der Zweitbste war ein unverbesserlicher Egozentrist gewesen. Was er ihr erzählte, hatte sie durchweg sehr stutzig gemacht. Sie fand ihn interessant, nicht das was er erzählte, doch das liess dann nach. Oder der Mutti- fixierte Pädagogensohn, der im Chat von sich in der dritten Person (Singular) sprach und sich für autistisch hielt, der mit dem Pädagogensohn-Namen. Sie lachte in sich hinein. Und dann horchte sie. Tief dort drinnen. Sie hatte ihn auch nicht wirklich zufällig ausgesucht. Der erste Blick auf ihn war wie eine Szene seiner dieser überzogenen Hollywood Streifen gewesen, in denen die Hauptrollen plötzlich Messiasartig hinterleuchtet werden, er war unvergleichlich. Sie hasste es, Freunden die Haustür zu öffnen und sich im Hereinlassen durch den engen Flur zu quetschen. "Komm rein, schön dass du da bist". Oder ein Gehirn amputiertes, ganz verlegen "Hi." und ein dümmliches Grinsen, wenn er davor steht... so wie die Szene auf der Straße, die hatte Stalking- Charakter gehabt. Obwohl es nur eine Aneinanderreihung glücklicher und weniger glücklicher Zufälle gewesen ist. Echt. Fräulein Wortkrieg, deren Zigarette in der Kerbe am Rande des Aschenbechers verglühte, dachte an Bridget Jones. Sie freute sich auf später. Erwartungsvoll, aber sie hatte auch ein schummeriges Gefühl, das gehört wohl dazu. Sie hörte hysterische Schreie und Türenknallen. Das war dann wohl das Pärchen von nebenan.

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